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Alles Landschaft
Fotoarbeiten von Werner Barfus


Bilder suchen, entdecken, herstellen, wiedergeben, zeigen: Das ist seine Leidenschaft.
Es ist die Technik der Fotografie, der sich der Künstler Werner Barfus wieder verstärkt zuwendet, eine Liebe, die er schon in den 70er Jahren entdeckte, als er ein eigenes Schwarz-Weiß-Labor unterhielt. Ebenso wie bei seinen Acrylarbeiten auf Glas handelt es sich auch bei seinen neuen Fotoarbeiten um Landschaften.


Mal von fern, mal von nah, mal von oben, mal von unten blickt der Betrachter auf Landschaften, die sich als scheinbare Wasseroberflächen, Küstenregionen, Bergwelten, Wolkenformationen, Luftschichtungen, Bergketten, Unterwasserwelten oder eis- und schneebedeckte Flächen ……lesen lassen.
Mal sind sie gestochen scharf, meist liegen sie aber wie im Dunst vor uns. Luftschichten, vielleicht auch Wasserschichten oder andere Aggregatzustände scheinen zu schweben, sanft zu fließen, sich zu neuen, manchmal watteähnlichen Gebilden zu formen, den Blick freizugeben oder sich im Nebel zu verlieren. Es ist eine langsame, fließende, sanfte Bewegung, die von den Arbeiten von WB ausgeht. Manchmal gibt es Lichtquellen, die aus weiter Ferne nach vorn dringen und Konturen und Schattierungen - darunter auch farbige , entstehen lassen und den Fotografien eine malerische Komponente verleihen.


Die Landschaften, die so in den Köpfen der Betrachter entstehen, wirken fern von jeder menschlichen Einflussnahme - es ist unberührte Natur, es sind Naturphänomene, die wahrnehmbar werden. Man könnte auch von poetischen Landschaftskompositionen sprechen.


Es ist der Blick in eine Welt, die nicht alles preisgibt. Besonders dort, wo Landschaft im Dunst verharrt, lässt sich ein Dahinter erahnen, ohne eine Lösung zu geben. Ein Vordringen zum eigentlichen Kern der Landschaft im Sinne einer sichtbaren Definition ist nicht möglich. WBs Arbeiten sind geheimnisvoll, manchmal wirken sie unheimlich. Sie geben Rätsel auf.


Es sind keine herkömmlichen Landschaften, die Werner Barfus hier fotografisch festhält. Sie sind nicht in der freien Natur aufgenommen. Und dennoch handelt es sich um Fotografien, ein Abbild von Realitäten, die im Idealfall nicht nachbearbeitet werden. WB verändert seine Fotografien nur im Sinne einer Bereinigung von störenden Elementen.


Bleibt die Frage: Was ist es, das unseren Blick derart fesselt? Welche Realität ist hier festgehalten? Womit überlistet der Künstler unsere Sehgewohnheiten und welchen Blickwinkel bringt er uns nahe?


Werner Barfus zeigt die Welt, die uns umgibt, mit seinen Augen aus nächster Nähe. Er spielt mit der Nähe. Er fotografiert Alltägliches im Detail. Es sind Gegenstände, die jeden von uns täglich umgeben, die wir in die Hand nehmen und benutzen. Dabei wählt WB Ausschnitte, die sich im Zentimeterbereich bewegen. Er schaut, er sucht nach Motiven, nach Bildern, er probiert aus und verwirft auch wieder - bis der richtige Ausschnitt gefunden ist. Dabei arbeitet WB bewusst mit der geringen Tiefenschärfe der Kamera im Nahbereich, durch deren Unschärfe Dunstiges, Nebeliges, Verklärtes, das Nicht-Greifbare, das Geheimnisvolle, Verwischtes und Milchiges entsteht.
Das besondere Interesse des Künstlers gilt der Frage, was für ein Bild aus einem Kleinstausschnitt entsteht, wenn man ihn um ein Vielfaches vergrößert. Der ursprüngliche Teil vom Ganzen entwickelt ein Eigenleben, er verselbständigt sich und wird zu etwas Neuem. Aus der Nahsicht wird durch Vergrößerung eine Fernsicht erzeugt. Das bedeutet, dass das Heranzoomen, das Sichannähern gleichzeitig zu einem Sichentfernen führt - ein Paradoxon, das dann durch die Sehleistung des Betrachters, der das Neue als Landschaft identifiziert, vollzogen wird.
Ist demnach alles Landschaft, was uns umgibt, schaut man mit dem Blick des Künstlers?


WB spielt nicht nur mit nah und fern, sondern auch mit der menschlichen Wahrnehmung. Er trickst aus, führt hinters Licht und zeigt, dass ein anderer Blick Bekanntes in völlig neuer Gestalt erscheinen lassen kann.


Entscheidend sind die Wahl des Bildausschnitts, der Blick des Künstlers und seine Phantasie. Mit seinen neuen Bildentdeckungen bleibt Werner Barfus der Landschaft zwar treu, das Spiel mit der Realität und deren Wahrnehmungsarten führt ihn jedoch auf ein neues spannendes Terrain.

Dr. Sabine Tünkers