Keiner war jemals dort. Denn es gibt sie nicht, die Landschaften, die Werner Barfus unter dem Titel „Bin nie da gewesen“ an die weißen Wände in der Kunstvereinsgalerie gehängt hat. Das erinnert an die Phantominseln, die auf realen Seekarten eingetragen waren, in der Wirklichkeit aber nie existierten. Verirrte Seefahrer oder ruhmsüchtige Kapitäne haben hunderte von ihnen ersonnen, sie tragen Namen wie Bacalao, Juwel-Inseln oder Los Jardines und erwecken bis heute Assoziationen an üppige, dampfende Tropen, an Palmenhaine und halbnackte Waldbewohner, die im Naturzustand leben.
Auch bei den Barfus` ist der Fake-Faktor hoch, auch hier ist es vor allem unsere Phantasie, die diese Landschaften trägt. Denn während die Phantominseln nicht mehr sind als Namen und Orte auf Seekarten früherer Jahrhunderte, so sind die Dünen und Gletscher auf den Leinwand- und Glasbildern des Malers aus Ratingen nicht mehr als abstrakte, mit gestischer Bestimmtheit auf die Leinwand geworfene Farbformationen.
Was aussieht wie Ausschnitte aus unberührter Natur, wie lebensfeindliche Zonen, in denen Schnee und Eis oder Hitze und Sand dem Einfluss des Menschen bislang getrotzt haben, ist bei näherer Betrachtung eine sorgfältig austarierte Gemengelage in Schwarz-Weiß: sichtbare Pinselstriche, wolkig getupft oder schlierig gezogen, geronnene Strukturen aus Acryl. Barfus pfriemelt nicht – er lässt sein Material für sich arbeiten. Er versteht es mit einer großen Perfektion, mit seinen wenigen Farben Effekte zu zaubern, wie sie bei der Erosion entstehen: Pigmente klumpen sich zusammen wie Erd-Brocken, und Farbschichten brechen weg wie Gesteinsformationen, Sedimente rutschen ab wie Lawinen, und schwarze Farbfelder brechen durch das Weiß wie Felsformationen, die durch den Schnee sichtbar werden.
Es ist das ewige Thema der Malerei: mit möglichst wenigen Mitteln größtmögliche Illusionen zu erzeugen. Werner Barfus macht das auf eine so elegante Weise, dass wenige Abstandszentimeter über Sein und Schein entscheiden. Der Betrachter muss nicht mit der Nase an das Bild stoßen, um den Trick zu durchschauen, und doch findet er sich beim Betrachten in einem beständigen Rauschzustand. So lebendig sind unsere Augen selten hinters Licht geführt worden.
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